Mutters Stimmbruch – Vom Schweigen und vom Finden der eigenen Stimme
Am 13. Juli 2024 veranstalten das Poetik-Kolleg der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und die Stadtbibliothek Erlangen eine Lesung mit der Autorin Katharina Mevissen. Im Innenhof der Bibliothek verbinden sich ab 19 Uhr Text, Bild und Klang zu einem besonderen Format, in dessen Zent-rum Katharina Mevissens Roman Mutters Stimmbruch (2023) steht. Eine multimediale Ausstellung mit Druckgrafiken der Künstlerin Katharina Greeven, die zu Mutters Stimmbruch entstanden sind, sowie ein szenischer Impuls von Studierenden des Poetik-Kollegs rahmen die Lesung. Der Eintritt ist kostenlos.
„Mutter kann neun Sprachen, aber redet mit niemandem mehr. Manchmal spricht sie mit der Zentralheizung, den Bäumen und dem Brot, beschimpft ihre Zähne oder das Radio. Ansonsten schweigt Mutter. Sie hat zu wenig Stimme.“
Aus: Mutters Stimmbruch von Katharina Mevissen
In einer dichten, sinnlichen Prosa erzählt Mevissens Roman vom Weg der Figur „Mutter“ zu neuer Stärke und Stimme. Mutter lebt in einem kalten kaputten Haus, in das bereits die Wurzeln der Bäume eindringen. Vertrieben von einem Wasserschaden muss sie sich in einer neuen Wohnung in der Stadt zurechtfinden. Mit dem Umzug geht der Verlust ihrer Zähne und die Veränderung ihrer Stimme einher, mit der sie sich nur zögerlich anfreunden kann. Schließlich findet sie darin jedoch Mut und ein neues Lebensgefühl: Sie flirtet mit der Telefonauskunft, sie singt vom Dreimeterbrett.
Katharina Mevissen lässt ihre Texte klingen und sprechen. In ihrem anderen preisgekrönten Roman Ich kann dich hören (2019) wird Musik geradezu spürbar. Doch Mevissen schreibt nicht nur Romane. Zu ihren Arbeiten gehören Hörspiele, Hörstücke und Podcasts sowie „laute Plakate“ im öffentlichen Raum. Dabei gerät auch die Abwesenheit von Worten in den Fokus. Der von Katharina Mevissen und Simon Wahlers gestaltete und herausgegebene Band Gesammeltes Schweigen (2022), ein Dialog zwischen Sharon Dodua Otoo und Heinrich Böll, befasst sich mit vielen verschiedenen Arten von Schweigen: Dem Schweigen nach dem Zweiten Weltkrieg, dem Schweigen aus Angst und zum Schutz, dem Schweigen aus Rücksicht und Respekt. Thematisiert wird aber auch das Brechen von Schweigen als Zeichen der Stärke und politischer Repräsentation.
Mevissens Werk vermittelt ein facettenreiches Spektrum an Botschaften. Eine davon ist: Stimme hat Macht. Doch sie ist nicht die einzige Möglichkeit, laut zu werden. Im gemeinsam mit Franziska Winkler gegründeten Projekt handverlesen bringen taube Kunstschaffende ihre individuellen Perspektiven durch Gebärdensprachpoesie zum Ausdruck. In mehrstimmiger Form widmet sich der Abend in der Stadtbibliothek diesem weiten Horizont von Mevissens Arbeiten.
Lesung und Ausstellung werden von den Studierenden des Erlanger Poetik-Kollegs organisiert, kuratiert und gestaltet. Das Erlanger Poetik-Kolleg wird veranstaltet vom Department für Germanistik und Komparatistik in Zusammenarbeit mit dem Graduiertenkolleg „Literatur und Öffentlichkeit in differenten Gegenwartskulturen“ sowie dem Studiengang „Ethik der Textkulturen“. Das Poetik-Kolleg lädt jedes Jahr namhafte Personen der Gegenwartsliteratur nach Erlangen ein, um sich zusammen mit Studierenden in einem Hauptseminar auf die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit ihrem Werk einzulassen.
Ort: Stadtbibliothek Erlangen, Marktplatz 1, 91054 Erlangen
Zeit: Einlass zur Ausstellung um 18 Uhr, Beginn der Lesung um 19 Uhr
Kontakt: PD Dr. Sandra Fluhrer, sandra.fluhrer@fau.de
Moderation: Jakob Moog und Shannon Rabsahl; Koordination und Öffentlichkeitsarbeit: Ines Reinwald; Ausstellung: Anna Lena Buhr und Johanna Neumeier; Plakat: Lara Hansmann und Mees Menzner; Szenisches Intro: Kristin Rampelt, Lara Hansmann, Lisa Stock, Lisa Thomann, Mees Menzner, Melanie Thümler; Audio: Philip Cichon; Journalistische Begleitung: Franciska Schulze, Franziska Sykora, Kristin Rampelt, Lisa Stock, Natalie Diga, Philip Cichon, Sophia Altmayer, Valeriya Petrova, Yue Tian