Tagung »An den Schnittstellen von Fakt und Fiktion. Formen und Funktionen dokufiktionalen Erzählens in der Gegenwart«
Do., 07.–Sa., 09.11.2019, Erlangen
Prof. Dr. Christine Lubkoll / Dr. Agnes Bidmon
Trotz oder vielleicht gerade aufgrund der mittlerweile inflationären Rede von einem ›postfaktischen Zeitalter‹ lässt sich in jüngster Vergangenheit in unterschiedlichsten Diskursen ein immenser Wirklichkeitshunger beobachten, der als Gegenbewegung zum weit verbreiteten Gefühl einer sich zunehmend entziehenden und brüchigen Realität verstanden werden kann. Dieser neue Drang nach Wirklichkeit hat mittlerweile auch im Diskursfeld der Künste und ihren fiktionalen Spielformen Einzug gehalten.
Dementsprechend werden seit einigen Jahren vermehrt erzählerische Formate bereitgestellt, um auf diese Bedürfnislage zu reagieren. So haben gegenwärtig Kinofilme oder TV-Produktionen, TV- oder Web-Serien, literarische Texte oder Theaterinszenierungen und nicht zuletzt PC-Spiele Hochkonjunktur, die zugleich referenziell und konstruktiv verfahren, indem sie durch das Einmontieren von authentischem Videomaterial, Interviewsequenzen, Egodokumenten, Fotos, Zeitungsberichten, Original-Akten etc. in eine fiktionale Erzählumgebung eine sichtbare Verschränkung von dokumentarischen Darstellungsweisen und fiktionalen Erzählformen vornehmen und ein Brückenschlag in die nicht-fiktionale Wirklichkeit erfolgt.
Die Formen der Verschränkung der Kategorien ›Fakt‹ und ›Fiktion‹ wie auch die Funktionalisierungen des dokufiktionalen Erzählens sind dabei ebenso vielgestaltig wie heterogen. Sie reichen vom Versuch einer tatsächlichen Annäherung an eine zeitlich oder räumlich entfernte und dadurch unerreichbare Wirklichkeit über den Versuch des Auslotens der Grenzen der Kategorien ›Fakt‹ und ›Fiktion‹ bis hin zum bewussten Verwischen bzw. Auflösen jeglicher Grenzlinien.
Aufgrund der Vielfalt der Erscheinungsformen ist der in unterschiedlichen medialen Kontexten immer virulenter werdende Begriff der Dokufiktion bzw. des dokufiktionalen Erzählens daher aktuell fast zwangsläufig noch mit einer semantischen Unschärfe verbunden, die es zu beheben gilt. Vor diesem Hintergrund verfolgt die interdisziplinäre Tagung das Ziel, durch eine systematische Arbeit am Begriff sowie die Erprobung von medientheoretischen, erzählethischen und kulturwissenschaftlichen Analysekategorien eine Präzisierung bzw. Konturierung des Forschungsfeldes vorzunehmen.